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as. 2022.4

Schuhe, Gürtel, Etuis oder Taschen – all diese Gegenstände aus Leder, einem fragilen Material, das im Boden schnell vergeht, bleiben den Archäolog*innen meist verborgen. Deshalb sind die Funde aus Saint-Ursanne im Kanton Jura etwas ganz Besonderes. Nicht weniger als 19000 Lederfragmente wurden hier zwischen 2016 und 2021 bei der Sanierung der Kanalisation freigelegt. Im aktuellen as.-Dossier erfahren Sie, wie die Tierhäute verarbeitet, zugeschnitten und zusammengefügt wurden und vor allem, wie sich die Schuhstile zwischen dem 11. und 14. Jh. entwickelt haben. Mehrere seltene und prestigeträchtige, verzierte Gegenstände stellen überdies eine eher unerwartete Entdeckung in der mittelalterlichen Kleinstadt Saint-Ursanne dar.
Dieses Heft führt Sie schliesslich weiter von Genf bis nach Liechtenstein, vom Neolithikum bis in die Neuzeit. Ein reichhaltiges Heft, wie es der letzten as.-Ausgabe würdig ist: Nicht ohne Emotionen kündigen wir Ihnen das Ende dieser Zeitschrift an, die im nächsten Frühjahr unter anderem Namen und in neuem Gewand aus der Asche auferstehen wird. Die letzten Seiten dieser Ausgabe nutzen wir daher für einen kurzen Rückblick auf die Geschichte des Magazins. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Ihnen im neuen Jahr!

Inhaltsverzeichnis

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Schwerpunkte

Les cuirs médiévaux de Saint-Ursanne

Die Sanierung der Kanalisation und der Bau einer Fernheizung im mittelalterlichen Städtlein Saint-Ursanne wurden durch die Sektion für Archäologie und Paläontologie des Kantons Jura zwischen 2016 und 2021 archäologisch begleitet. Diese Ausgrabungen führten zur Entdeckung von ca. 19 000 Lederfragmenten – dem grössten mittelalterlichen Lederensemble der Schweiz. Die Funde datieren mit wenigen Ausnahmen ins 11. bis 14. Jh. Es handelt sich hauptsächlich um Verschnitt-Abfälle, wobei zwischen Abfällen aus Erst- und Zweitverwendung unterschieden wird. Letztere bezeugen die Wiederverwendung von Lederstücken ausgedienter Objekte. Die Funde enthalten ausreichend Anhaltspunkte, um bestimmte Schuhmodelle zu identifizieren, die einem raschen Verschleiss und einem ständigen Modewechsel unterlagen. Sie sind damit ein ideales Mittel zur Datierung und liefern so einen wesentlichen Schlüssel zur stratigraphischen Interpretation und zur Geschichte der urbanen Entwicklung. Ein kleiner Kinderschuh – Star dieser Entdeckung – wurde von der Presse rund um den Globus aufgenommen und hat damit das Jura-Städtchen auf die Weltkarte gesetzt. Die Funde wurden dokumentiert und konserviert und liefern bereits einige Ergebnisse und Möglichkeiten der Rekonstruktion. Weitere Recherchen und vergleichende Analysen sind mit Blick auf eine Publikation mit Gesamtkatalog noch im Gange.

Das Oppidum von Roggwil: eine keltische Stadt im Oberaargau

Das 2022 erschienene Übersichtswerk zum 2008 entdeckten Oppidum Roggwil im Oberaargau versammelt die Ergebnisse der bislang vor Ort durchgeführten grossflächigen Prospektionen und partiellen Ausgrabungen und zeichnet ein lebendiges Bild einer keltischen Stadt im Schweizer Mittelland. Das Oppidum besass eine Grösse von 23 ha und war im Süden mit einer monumentalen Abschnittsbefestigung gesichert. Die Bebauung im Innern lässt sich dank geomagnetischer Messungen, welche 2018 durch Sondierungen überprüft wurden, und der systematischen Metalldetektorprospektion ansatzweise nachvollziehen. Das Fundmaterial, darunter 248 keltische Münzen, weitere Metallfunde und vier Keramikensembles, datiert das Oppidum in die Zeit um 80-50 v.Chr. und gibt Einblicke in das vor Ort ausgeübte Handwerk.

Auberge, résidence d’aristocrate ou hall communautaire? Un bâtiment public à Vufflens-la-Ville

In der keltischen Siedlung Vufflens-la-Ville wurde ein Ensemble von mindestens 150 Gebäuden aus der Zeit von 220 bis 100/90 v.Chr. entdeckt. Dazu zählt auch ein aussergewöhnlicher Bau im Herzen der Siedlung, der zehnmal umgebaut wurde und das wohl einzige öffentlichen Gebäudes des Orts darstellt. Kochstellen und reichhaltiges Fundmaterial belegen, dass hier Versammlungen abgehalten und gemeinschaftlich Speisen und Getränke konsumiert wurden. Würfel und Spielsteine deuten darauf hin, dass hier zudem soziale oder politische Aktivitäten stattfanden. Die Interpretation dieses Befundes wird jedoch durch die Frage nach den Besitzverhältnissen erschwert. Das Gebäude könnte einerseits ein öffentlicher Ort für gemeinschaftliche Handlungen – höchstwahrscheinlich mit politischer Bedeutung – gewesen sein. Andererseits könnte es sich auch um ein privates Gasthaus oder einen aristokratischen Wohnsitz gehandelt haben.