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arCHaeo Suisse 2025.4 – aktuelle Ausgabe

Seit 2020 sorgen Denkmäler zu Ehren kolonialistischer und Sklaverei betreibender Persönlichkeiten im öffentlichen Raum für Debatten und «schlagkräftige» Aktionen. In den Vereinigten Staaten und in Europa wurden Dutzende Statuen von Gruppen, die ihre Präsenz als unerträglich empfinden, beschmiert und umgestürzt. Das Konzept der Cancel Culture beschreibt diese Initiativen, die sich jedoch nicht auf das Umstürzen von Statuen beschränken. Unabhängig davon, ob man diese Taten unterstützt oder nicht, muss man feststellen, dass die betroffenen Personen, die lange Zeit als Vorbilder für wirtschaftlichen Erfolg, militärische Tapferkeit oder Philanthropie galten, heute als Symbole für die Verherrlichung des transatlantischen Dreieckshandels und seiner kapitalistischen, imperialistischen und rassistischen Elemente wahrgenommen werden.

Mit der Cancel Culture scheint sich ein beispielloser Wandel in der Beziehung westlicher Gesellschaften zu dieser materiellen Erinnerung – den öffentlichen Denkmälern – zu vollziehen. Die Archäologie lehrt uns jedoch, dass solche Praktiken bereits in prähistorischer Zeit üblich waren. Die aktuelle Ausgabe von arCHaeo zeigt uns, dass diese Aktionen je nach Epoche unterschiedliche Formen annahmen: das Entfernen von Namen auf Inschriften in Rom und im gesamten Reich, die Zerstörung religiöser Bilder, Klöster und Kapellen nach der Reformation – um nur die bekanntesten Beispiele zu nennen.

Im Gegensatz zu in der Vergangenheit dokumentierten Zerstörungen und Verwüstungen, die auf Initiative politischer und religiöser Eliten erfolgten, ist die heutige Cancel Culture das Ergebnis von Handlungen der Bevölkerung. Die Debatten, die durch diese Aktionen ausgelöst werden, führen manchmal zu völlig neuen politischen Massnahmen. So beispielsweise in Neuenburg, wo die Erinnerung an den Sklavenhalter David de Pury nicht ausgelöscht, sondern dauerhaft im öffentlichen Raum und im Museum thematisiert wurde.

Géraldine Delley, stellvertretende Direktorin des Laténiums, Dozentin an der Universität Neuenburg

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